Sei anders

Im letzten Beitrag habe ich kurz das Thema menschliche Fehler angesprochen. Das ist ein Thema für sich. Heute will ich auf dieses Thema eingehen.

Menschliche Fehler

Meistens, wenn wir Menschen, von Fehlern hören oder sprechen, denken wir an etwas, was falsch ist. Wir meinen damit so ungefähr so falsch wie 2 x 2 = 5, oder ähnliche, eindeutig falsche Dinge. Wir sprechen vom Brechen oder Nichteinhalten von Regeln und Gesetzen. Wir sprechen von Verfehlen von Zielen. Wir sprechen von Nicht-Genügen jemandes Erwartungen. Kurzum scheint Fehler so etwas wie Abweichen zu heißen.

Sehr oft ist Abweichen nachvollziehbar. Niemand möchte Abweichungen haben. Beispielsweise wollen Sie wahrscheinlich auch nicht, dass jemand von der Gesellschaftsnorm „Nicht rauben“ oder „Nicht töten“ gerade bei Ihnen abweicht, nicht wahr? Sehr wahrscheinlich gelten solche Normen überall auf der Welt. Und solche Normen sind im Normalfall auch gesetzlich verankert.

Doch erscheint das, was offensichtlich richtig sein sollte, unter Umständen als nicht immer so eindeutig. Denken Sie bitte an folgende Beispiele:

Christliche Kultur feilschte weltweit so hart an Verteidigung der Werte wie Ehrlichkeit. Man solle nicht lügen. Wir erwarten das von unseren Kindern. Wir erwarten das von unseren Ehepartnerinnen und -partnern. Wir erwarten das von unseren Freunden. Wir erwarten das von unseren Politikern. Doch was machen wir, wenn uns Profit zu entkommen scheint, wenn wir uns vor Einsamkeit fürchten, wenn wir unseren Wohlstand gefährdet sehen? Wir nehmen das mit Abweichen nicht mehr so ernst. Ich kann mich an die jüngste Rede eines Politikers erinnern, der sehr charismatisch dauerhafte Unterstützung für die Ukraine zusagte – mehr: er hat sich mit den Menschen aus der Ukraine identifiziert. Alle jubelten zu. Grob eineinhalb Jahre später sprach sich dieser Politiker dafür aus, den Geflüchteten aus dem Krieg – genau denen aus der Ukraine – existenzielle Unterstützung zu streichen. Seine Begründung lief auf den Grundsatz „Wohlstand bewahren“ aus.

Die fortschrittlichen Länder der Welt haben eine unglaublich lehrhafte Geschichte hinter sich. Sie gingen durch eine unglaubliche Anzahl von Kriegen – darunter zwei Weltkriege – durch. Gemeinsam erschufen sie daher internationales Kriegsrecht, festgehalten beispielsweise in Genfer Konvention oder internationalen Menschenrechten, die übrigens von vielen ratifiziert und in die nationale Gesetzgebung mit einer hohen Priorität übernommen worden sind. Dabei waren beispielsweise Vereinigte Staaten eines der Vorreiter-Staaten. Plötzlich „verstehen“ jetzt Wählerinnern und Wähler aus manchen US-Bundesländern diejenigen, die nachgewiesen systematisch Kriegsverbrechen begehen.

Plötzlich „flirten“ bestimmte US-Politiker mit den Kriegsverbrechern, huldigen ihnen. Und wieder sind die Gründe so trivial wie immer: „eigenen Wohlstand verteidigen“. Wie paradox ist nur, dass die Wohlstandverteidiger noch kurz davor die „so undemokratische Länder“ belehrten, wie man zu leben habe: Werte, Rechte, …, was da nur nicht gesagt worden war, wo immer die anderen nachziehen mussten. Und plötzlich sind die größten Demokratie-Verteidiger der Welt selbst anti-demokratisch geworden…

Ein weiteres Beispiel kann ein europäisches Land sein, welches es jahrelang schaffte, ein Champion im Kampf gegen Korruption zu sein. Einwohner dieses Landes waren stolz darauf. Sie schauten herab auf andere Völker, die ständig in Korruptionsskandalen verwickelt worden waren. Sie verwiesen auf die Kultur. Es muss sich etwas im Sonnensystem gedreht haben, dass genau dieses Land politische Parteien in seine Legislative einziehen lässt, die offensichtlich von Betrügerinnen und Betrügern gegründet und geführt werden, und mit korruptem Geld bezuschusst. Die Parolen solcher Parteien sind öfter als nötig mit „Wohlstand verteidigen“ zu vergleichen. Und die Gesellschaft erklärt plötzlich die angebliche Toleranz mit Faschisten durch „Demokratie“ – eine Demokratie, die sich selbst ganz „demokratisch“ auslöscht.

Schließlich ist in solchen Ländern, wie das im letzten Absatz angesprochene, so heldenhaft Diversität hochgepriesen und verteidigt worden, dass man sich denken konnte: das ist der Traum, der wahr geworden wäre. Doch jedes Mal, wenn eine Herde mit Flagge über deren Gegensätze herzieht, macht die das Thema Diversität zunichte. Eine Herde schreit „Leitkultur“, eine andere dagegen „Hurra! Sie nimmt den Männern ihren Job“. Eine Herde beteuert „Familienwerte“, eine andere „Geschlechterkampf“. Eine schreibt sich auf die Flaggen „Sicherheit“, eine andere „Appeasement“… In dem Kreuzfeuer der Herden-Ansprachen, die in ihrem Eifer die einzelnen Menschen einfach überrollen, hat

das eigenständige Denken

– ist es nicht das, wozu uns große Philosophen herausforderten?

– wenig Chancen. Bestimmt verstehe ich nicht, wie wichtig doch die Slogans sind – auch wenn ich alle der genannten Slogans in bestimmten Situationen sehr gut nachvollziehen kann. Dennoch verstehe ich, dass die Herden viel zu oft von ihren eigenen Werten und Worten abweichen. Bei dem Kreuzfeuer fühle ich mich in einer Welt, in der Abweichungen eine Normalität sind. Fast hätte ich mir gedacht, dass es doch anders gar nicht möglich wäre, dass gerade und nur so eine Demokratie gehen würde und versinke dann im Verzweifeln, denn genau diese Uneinigkeit, ja ein Spiel der Egoismen, von den Feinden der Demokratie verwendet wird, um die letztere zu zerstören. Noch mehr Verzweiflung ruft hervor die Einsicht, dass Demokratie für viele lediglich ein unzuverlässiges Chaos geworden ist. Wie schade.

Man mag mich missverstehen und denken, ich übe hier harte Kritik, die ich selbst nicht verdiene. Ich urteile hier nicht darüber, wer was verdient hat. Ich schreibe lediglich darüber, was mir zum Thema Fehler auffällt.

Es ist also ein Themenkomplex, ein bunter Haufen an Fragen, die einem dabei durch den Kopf gehen. Man schaukelt dabei von eindeutig unerwünschten Dingen, über Fragen über Fragen bis hin zu den Punkten, wo man doch irgendwie abweichen möchte, nicht wahr?

Und dazu ein kleines Design:

Wer das Design mal auch tragen möchte, ist herzlich zum Shop eingeladen.