Line-Art

Auf diesem Blog geht es nicht nur um Produkte, sondern viel mehr um Kunst. Es geht allem voran um Designs und das, was hinter den jeweiligen Designs steckt. Es gibt hier – zumindest noch – keine Festlegung auf eine bestimmte Kunstrichtung. Sie sind völlig frei, den Content als „Herumprobieren“ anzusehen.

Heute möchte ich eben etwas ausprobieren, was hier bis jetzt noch nicht vorgekommen ist, nämlich Line-Art – auch als Line art, Lineart, Liniengrafik, Linienkunst bezeichnet. Sie können sicher auch selbst irgendwo nachlesen, was diese Kunst bedeutet, woher sie stammt und andere Dinge, die ich hier nicht wiederholen möchte. Ich teile hier jedoch, was ich bei dieser Kunst interessant finde.

Line-Art

Comic – Tatoos – Malbücher

Die Line-Art ist einfarbig. Das heißt, wenn Sie eine Zeichnung, ein Bild anfertigen und es noch nicht mit Farben versehen haben, ist es im Prinzip schon Line-Art. Nach der Kolorierung ist es das eben nicht mehr. Manche Bilder sind aber auch so gedacht, dass sie ohne Farben bleiben. In Fotografie-Kunst ist es völlig normal und eigentlich eine Profi-Kunst. Schwarz-weiße Fotos gelten bekanntlich als hochqualitativ und als etwas für erlesenen Geschmack. Ich wusste früher nicht, dass es nämlich in der Zeichnung auch so ist. Beispielsweise hatte ich nie gedacht, dass einfarbige Comics die Line-Art sind. Lustigerweise malte ich diese tonnenweise, als ich Kind war. Ich wusste auch nicht, dass manche Menschen Malbücher für Kinder – und Erwachsene – als Lineart bezeichnet. In dem Fall bleibt es dann wohl nicht bei der Line-Art, sondern die Malbücher werden natürlich mit Farbe gefüllt. Wussten Sie, dass Ausmalen von solchen Büchern, übrigens, eine therapeutische Wirkung hat?

Und dann auch die Tatoos! Ich habe Hunderte von einfarbigen Tatoos gesehen – Drachen, Tiger, Hirschgeweih, ganze Geschichten – und wusste nicht, dass das alles die Line Art ist. Moderne Tatoos sind immer häufiger mehrfarbig, aber einfarbige sind nach wie vor da. In manchen Gesellschaften hat man so eine einfarbige Kunst als Auszeichnung bekommen, so in etwa wie Rang im Militär – for life. Und dafür musste man so manches tun. Heute hört man von den Trägerinnen und Trägern solcher Kunstwerke nur, dass es nichts hieße und „nur Kunst“ wäre. Nun, mit einer tiefgreifenden Bedeutung oder ohne, manche Werke und Geschichten, die menschliche Haut erzählt, sind richtig spannend.

Online

Mein kleines, bescheidenes Kunststück in Line-Art heißt „Online“.

Jetzt schauen Sie drauf und sind verwirrt. „Warum eigentlich Online?“. Und das ist, was ich an der Kunst wirklich klasse finde – man kann etwas kreieren, sich dabei etwas denken, absolut frei, und wenn die anderen drauf schauen, sehen sie erst einmal sehr wahrscheinlich nicht Dasselbe, was man selbst sieht. Sehr wahrscheinlich denken die Betrachterinnen und Betrachter auch ihr eigenes Teil und dieses kann sich um Welten davon unterscheiden, was man selbst beim Kreieren so im Kopf hatte. Das ist spannend, nicht wahr? Natürlich spielt es auch eine Rolle, wie man das, was da vorliegt, nennt. Doch selbst, wenn man es peinlichst genau und höchst objektiviert ausformuliert, wäre die Gefahr da, dass es anders aufgefasst wird. So ist es doch auch mit anderen Dingen im Leben: Projektbeteiligte streiten sich um Definitionen der Anforderungen, Anwälte und Richter streiten sich um Bedeutung juristischer Formulierungen, Verliebte interpretieren in das Gesagte ganz andere Inhalte hinein. Eigentlich ist unsere Welt voller Missverständnisse, wenn man bedenkt, wie oft Menschen sich nicht ganz genau so verstehen, wie sie es sich wünschen – die Welt ist richtig schief! Und doch funktioniert sie irgendwie.

Die Welt ist nicht zu fassen. Wenn man versucht, die Welt zu erklären, zu erfassen, zu verstehen, flieht sie einem buchstäblich davon – als ob sie nicht verstanden werden möchte. Oder ist es, weil – wie Physiktheoretiker sagen – das Universum immer wächst? Man kann es quasi gar nicht anhalten, um zu sagen „hey, jetzt sei endlich still, ich muss doch verstehen, wie du es meinst“. Wenn man versucht, die Welt in Details aufzutrennen, zu analysieren, sieht man den Wald vor lauter Bäume nicht mehr. Wenn man versucht, alles zu verallgemeinern, quasi zu sagen „naja, alles ist eh das Gleiche“, wird man doch immer wieder – und manchmal unangenehm – überrascht, nicht wahr? Wir Menschen bilden uns oft ein, dass „die Wissenschaft“ schon längst „alles erklärt hat“. Lustig ist aber, dass gerade die richtigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es anders sehen. Manche von ihnen sehen es so in etwa so, als ob wir Menschen im Dunkeln tappen, mit relativ schwachen Taschenlampen. Haben Sie gemerkt, dass die wissenschaftliche Welt buchstäblich davon lebt, Hypothesen aufzustellen, sie zuerst zu bestätigen und dann wieder zu verwerfen? Das machen die Entdecker die ganze Zeit. Sie korrigieren die ganze Zeit ihre eigenen und unsere Weltbilder.

Wenn man auf das Gesicht der dargestellten Person schaut, bekommt man das Gefühl, dass diese Person nachdenklich ist, eventuell etwas traurig und doch nicht ganz – sie „hängt“ so ein bisschen. Ich stelle mir vor, wie diese Person nach einem anstrengenden Zeitraum da sitzt, sich eine Zigarette dreht und einfach „hängt“. Als ob diese Person, dieser Mensch, dieser Mann auf dem Bild einfach „Empfangsantennen“ ausgefahren hat und auf kleinste Regungen der Umgebung „hört“. Ich weiß nicht, ob alle solche Momente kennen. Man hört in solchen Momenten quasi „alles“ – drin und draußen. Und manchmal fühlt es sich sehr harmonisch an. So, als ob man eins mit Natur wäre, und eins mit sich. Als ob man mit der eigenen inneren Welt sowie auch mit der Umwelt per „Internet“ verbunden wäre, und die Datenübertragung findet statt in so richtig guter Qualität, mit entspannter und schneller Datentransfergeschwindigkeit. Da wären keine Störgeräusche. Man sitzt quasi „in flow“. Das ist, was ich mit „online“ meine. Man ist On Line – auf der Verbindungslinie. Man ist verbunden.

Wenn Sie diese Art Gemütszustand kennen, wissen Sie wahrscheinlich auch, dass es Menschen gibt, die sich einbilden, dass dies tatsächlich die echte Einheit mit dem Universum wäre. Und die wären Götter oder so ähnlich. Wenn sie aus dem Zustand rauskommen oder – wie es oft ist – vom Leben selbst wach gerüttelt und zurück in die hastige, unharmonische Normalität gerissen werden, denken sie sich, dass sie jetzt die Wahrheit in letzter Instanz entdeckt hätten. Sie versuchen dann, den „Online“-Zustand zurück zu erobern, immer und wieder. Sie proklamieren es als ihr Lebensziel, opfern dafür ihr Gut und manchmal sogar Beziehungen. Es fühlt sich doch so gut an in dem „Online“-Zustand, wo alles wieder gut und nichts mehr schief zu sein scheint. Ist das an sich nicht schief?