Liebe

Ach ja, nach den Wahlen ist vor den Wahlen. Eine komische Zeit haben wir jetzt. Ich möchte mit diesem Beitrag vom Ernst der Lage ablenken. Als wissenschaftlich bewiesen gilt, dass man solche kräftige Emotionen wie Angst bzw. Hass und Liebe bzw. Freude nicht gleichzeitig empfinden kann. Deswegen möchte ich hier ein wenig über die Liebe sprechen. Weg vom Hass. Weg von der Angst. Hin zur Liebe. Ach, wie romantisch.

Was ist Liebe?

Herr je, was ist das für eine Frage – denken Sie vielleicht. Tja. Ich würde es auch denken. Eigentlich ist es sogar ziemlich anmaßend oder sogar psychisch gestört, über die Liebe zu sprechen, oder? Wer weiß schon was das ist. Je nach Sprache und Kultur und sogar je nach Persönlichkeit und Erfahrung versteht man was Anderes darunter.

Arten der Liebe im antiken Griechenland

Die alten Griechen – das weiß ja jede und jeder heute, bilde ich mir ein – teilten diesen Begriff, bei dem es sicher um Zuneigung geht, und vielleicht sogar um Bindung und Sympathie, in drei. Die Liebe zu Freunden, die Liebe zu romantischem oder sexuellem Partner und die Liebe der Eltern. Ich würde mal sagen, gut zusammengefasst. Oder fällt hier die Liebe zum Haustier? Und wie wäre es mit der Liebe zu Hobby, Sport, Arbeit, Haus, Land, Heimat, Kultur, Sprache, Verwandten, Volk, höherer Kraft (Ihrem Stern) und sich selbst? Wie wäre es mit Fetisch? Was?! Oh, nein, nicht das auch noch.

Ich glaube, die Griechen haben schon wichtige Bereiche abgedeckt, aber wahrscheinlich nicht alle. Und vor allem, auch wenn man die Zuneigung nach Objekt sortiert, hat man noch lange nicht gesagt, was die Liebe ist! Im Ernst, ich habe noch keinen einzigen Menschen getroffen, wer immer ganz genau wusste, was die Liebe ist.

Große Klappe und nichts dahinter

Ich habe viele Menschen gesehen (bin ja schon so alt), die lange Zeit von Liebe schwärmten und dann es doch nach paar Jährchen in Frage stellten. „Chemie“ – sagten sie dann. Tja. „Das verflixte dritte Jahr“, „das verflixte siebte Jahr“, „der verflixte vierte Monat“ oder so ähnlich, sagen viele. Ganz erfahrene Lebenskämpferinnen und -kämpfer wissen oft „Verliebtheit“ von Liebe zu unterscheiden. Gute Freunde mit gut gemeinten Absichten wissen oft, wer wen liebt oder nicht. Dabei weiß buchstäblich niemand von ihnen, was die Liebe ist. Komisch. Aber so sind wir Menschen. Machen uns wichtig, wissen alles und nichts. Es gibt sogar Neurowissenschaftler oder Biologinnen, die sich mit dem Thema Liebe neuropsychologisch und biologisch beschäftigen. Wissen sie da mehr? Na ja. Ich würde sagen: sie können wesentlich besser begründen, was alle irgendwie mitbekommen, aber mehr wissen? Hm. Sie können sich gerne auch selbst Ihre Meinung darüber bilden. Aber irgendwie gibt es doch die Liebe, oder? Sieht so aus und das ist toll!

Nicht nur das Was, sondern das Wie ist wichtig

Ich kann mich erinnern, in meiner Jugendzeit tauchten die Kaugummis auf, die Verpackung enthielt außer der Gummi eben immer ein kleines Bildchen oder Comic. Da stand immer eine Geschichte drauf (also bei jedem Kaugummi andere), die immer mit dem Satz „Liebe ist …“ anfing. Zugegeben, damals mochten es eher Mädchen. Aber jetzt im Alter finde ich als Mann es klasse, dass es solche Kaugummis gibt. Um es mal allgemein zu wiedergeben, wurde auf den Zettelchen mit Bildchen immer gezeigt, wie die Liebe ist oder was die Liebe macht oder nicht macht – niemals stand da, was das ist. Irgendwie enttäuschend ist es, die ganze Zeit drum herum zu reden und nie zu wissen, was man sagen will, nicht wahr? Ach ja. Doch in der Praxis reicht es uns, die Liebe zu erleben – auch wenn wir es nicht in Worte fassen können. Zum Beispiel so intensiv wie in dem folgenden Design (Vorsicht, bisschen pathetisch):

Na und?

Sie sagen „na und“. Haben Sie Recht. Denn wenn wir lieben oder geliebt werden, wissen wir meistens auch ohne klares Verständnis dessen, was die Liebe ist. Und wenn wir dem Glück nicht begegnet sind, wer sagt, dass es schlimm ist? Es gibt Menschen, die ohne Liebe aufwachsen, Liebe verlieren, in einer lieblosen Umgebung leben – denken Sie doch an Krieg. Oh, ist es Ihnen zu groß? Zu viel? Gut gut, dann machen wir es klein. Denken Sie an fiese Nachbarn. Stellen Sie sich mal vor, dass Sie niemandem vertrauen können – die ganze Zeit. Egal, wie hart man ist, die ganze Zeit so zu leben, ist schwer und irgendwann fragt man sich, ob es überhaupt Sinn macht, nicht wahr? Und wenn es sich nicht ändert, gibt es für solche ungeliebte Menschen keine Alternative als selbst lieblos zu sein. Denn woher will man die Kraft zum Lieben schöpfen? Der Ursprung alles Bösen? So tief will ich hier gar nicht gehen.

Liebe ist für alle da

Haben Sie es gemerkt, dass wir bisher schon zumeist von irgendwie romantischer Liebe gesprochen haben? Na ja, außer der von Nachbarn. Da würde auch Respekt mal ausreichen. Wie dem auch sei.

Was meinten die Griechen eigentlich mit Liebe zu Freunden? Ich glaube, das ist ein Leichtes. Das sollte jede und jeder kennen. Und auch wenn es manchmal das Tollste im Leben ist, möchte ich hier von jeglichen faszinierenden Theorien absehen. Meistens verstehen es Außenstehende eh nicht, was zwischen zwei Freunden abgeht. Außer man versucht mitzufühlen. Wollen Sie es mal versuchen?

Bitte schön:

In meiner Jugend hatte ich mehrere Freunde. Wir hatten so viel Spaß – und manchmal Tränen – miteinander, dass es schwer in Worte zu fassen ist. Unsere Lebenswege trennten sich. Es vergingen Jahre. Manche sind gestorben. Manche sind für immer verschwunden. Manche traf man wieder und war nicht froh. Manch andere traf man wieder und war glücklich. Hatten Sie so ähnliche Erlebnisse? Stellen Sie sich mal vor, Sie bleiben in Kontakt mit solchen aus der zuletzt genannten „Kategorie“. Ihnen sind die Gespräche mit ihnen wie ein Balsam für die Seele. Die Erinnerungen lassen Sie manchmal mit einem glücklichen Grinsen erstarren – das sieht dann aus wie Schlaganfall im Orgasmus (sorry, hier ist nur für Erwachsene) – und lange Minuten wie verzaubert da sitzen, die Bilder „von damals“ vor dem inneren Auge sehen. Plötzlich erfahren Sie, dass dort, wo Ihre Freunde sind, Krieg ausbrach. Ihr Land wurde angegriffen. Ihre Freunde schicken Ihnen Fotos, wie sie mit ihren neugeborenen Babys im Bombenschutz sitzen. Ihre Mütter brechen zusammen wegen unaufhörlichem Stress – Sirenen, Elektrizitätsausfall, keine Telekommunikationsverbindung, Raketeneinschläge, Schüsse, in den Krieg eingezogenen Kinder. Wochen lang. Monate lang. Jahre lang. Ihre Freunde verlieren Jobs. Manche landen im Militär, manche warten „auf ihre Stunde“. Fühlen Sie mit? Wenn ja, dann wissen Sie, was Liebe zu Freunden ist. Wenn nein, dann laufen Sie die Gefahr, ein gefühlloser Depp zu werden – dies, übrigens, geschlechtsneutral.

Ist Depp eine Beleidigung? Keinesfalls! Erstens für wen? Sie sind doch ein empathischer Mensch! Zweitens schauen Sie doch in Duden, also die „Bibel“ der deutschen Sprache. Da finden Sie die Erklärung. Es handelt sich um Tollpatsch-Eigenschaft – und in diesem Kontext Tollpatsch zu Gefühlen und Bedürfnissen anderer Menschen. Aber keine Angst! Auch wenn Sie damit Probleme haben, werden Sie lernen, wie man es richtig macht – wenn andere mit Ihnen so umgehen. Sicher.

Höhepunkt

Nun, lassen wir das Tollste und schmerzhafte des Lebens. Bei Griechen gab es doch noch etwas. Ah ja, die Liebe der Eltern. Neulich habe ich von einem Menschen gehört „es gibt nichts stärkeres als Mutterliebe“. Ich kenne diese Stärke von beiden Elternteilen – im gleichen Ausmaß, und würde mit Sicherheit davon abraten, Väter abzutun. Sie haben sicher schon von Müttern gehört, die ihre Kinder in einer Mülltonne verlassen. Oder von Vätern, die sich unter die Räder schmeißen, um das Kind zu retten. Aber schon wieder bin ich hier in einem ernsthaften Ton. Das geht gar nicht! … wie kann ich so etwas mit Humor ausdrücken? Eine Mutter, die ihr Leben für ihr Kind opfert. Ein Vater, der sein Leben für sein Kind hingibt. Irgendwie unlustig. Viel lustiger ist es, wenn man die Momente des Lebens zusammenzählt, in welchen Eltern mal wieder geduldig sein mussten, wo sie weniger schlafen mussten, wo sie eigenes Essen abgaben, wo sie Kinder aus der Gefahr holten, wo sie verzeihen mussten – und wieder verzeihen, und wieder verzeihen, und wieder verzeihen…

Unmenschlich mit Vergnügen. Diese zwei Worte fallen mir ein, wenn ich an meine Eltern denke. Unmenschlich, weil Menschen, die keine eigenen Kinder haben, nie verstehen, was das bedeutet. Wie weit Eltern in ihrem Lieben gehen können. Diejenigen, die keine Kinder haben, sind mit ihrem „zu viel“ und „geht nicht“ so weit weg davon – Welten entfernt! So weit, dass sie es dorthin ohne Kinder nie schaffen. Es ist als ob die Kinder so etwas wie Coach für Profisportler wären. Die Sportler schaffen es alleine auch nie an die Spitze. Ohne Trainer gehen die an die Spitze der Verzweiflung. Mit Trainer gehen sie dorthin und weiter, und zwar mit einem Lächeln. So ist es auch mit Kiddies.

Und Vergnügen fällt mir dabei ein, weil ich es jedes Mal in den Augen meiner Eltern sah, nachdem ich sie geärgert hatte und sie es schon wieder mal mit dem schwierigen Kerlchen meistern mussten. Müde, ausgelaugt, überfordert und doch vergnügt. Kennen Sie das?

Menschen sagen „über Liebe ist es besser nicht zu sprechen“. Vielleicht haben sie Recht.