Kosak und David

Vor einer Weile hatte ich das Glück, gemeinsam mit Anna Knyazeva ein Produktdesign zu testen, welches zwar politisch schwierig wirkte, jedoch voll den Nerv des Zeitgeistes traf. Bei diesem Design wurden politische Symbole von zwei Staaten kombiniert dargestellt, die in aller Munde waren – und auch jetzt sind. Es handelt sich um die Ukraine und Israel. Auf dieses Design möchte ich heute nochmal detaillierter eingehen.

Design Ukraine und Israel

Zum einen ist zu sagen, dass die Tests ganz unterschiedliche Reaktionen auf das Design gezeigt haben – es war nachvollziehbar, da das Design ohne Erklärungen oder Kommentare angeboten wurde. Das heißt, Menschen haben einfach das Design, das Bild, angeschaut und hatten ihre ganz eigenen Assoziationen damit. Die einen haben sich kräftig geärgert, die anderen hielten es für unangemessen, die dritten fanden es ganz nett. Und ja, es gab auch Käufe.

Ich kann es mir nicht leisten, an dieser Stelle, professionell in die Interpretation der Testergebnisse einzusteigen – das würde viel zu viel Platz benötigen. Daher nur kurz: geärgert haben sich Menschen, weil sie politisch unterschiedlich zu Ukraine oder Israel gestimmt waren. Unangemessen fanden es Menschen, da sie das Gefühl hatten, wir würden die Themen während der Kriegszeit wirtschaftlich „missbrauchen“ – was wirklich nicht der Fall war. Die erste intuitive Reaktion von uns auf solche Impulse war natürlich in etwa „oh, vielleicht dann doch lieber nicht“. Doch nach einer Phase der Überlegung neige zumindest ich persönlich zu der Schlussfolgerung, dass wir es doch machen sollten – allerdings mit etwas Erklärung. Und das ist der Hintergrund zu diesem Blogbeitrag.

Warum kam der Wunsch die politischen Symbole von Ukraine und Israel zu verbinden?

Das wäre der zweite, in meinen Augen wichtige, Teil dieses Beitrags. Für Anna und mich waren es sowohl der persönliche Draht zu diesen Kulturen – Familiengeschichten, Freunde, eigene Lebensgeschichte – als auch ein warmes Gefühl zu diesen Kulturen. Das letztere ist wahrscheinlich da, weil viel zu viel zwischenmenschlicher Wärme damit verbunden ist. Allerdings ist diese Seite der Motivation nicht alles. Wir beide haben ein gewisses Weltbild, in welchem die Bilder dieser Kulturen ähnlich aussehen und genau diese Bilder machten den Rest der Motivation aus.

Israel

Jüdische Geschichte betrifft uns beide. Sie reicht von ganz engen Verwandten und deren Berichten über die Zeiten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, bis in unsere Tage, an welchen wir sie als Vorbilder hatten. Auch sie waren betroffen von Holodomor in der Ukraine der 1930er Jahren. Auch sie waren betroffen vom Krieg und Verfolgungen der 1940er. Auch sie erlebten Unterdrückungen des stalinistischen Regimes sowie allen Schattenseiten vom Real-Kommunismus. Allein diese Geschichten haben bereits gereicht, um die Sehnsucht und Freude zu verstehen, mit welchen der moderne Staat Israel in 1948 gegründet wurde.

Ukraine

Wir beide – Anna und ich – sind in der Ukraine geboren. Ich landete bereits vor vielen Jahren in Westeuropa und dies hatte nichts mit dem aktuell tobenden Krieg zu tun. Anna kam nach Westeuropa später. Wir beide kannten Schatten- und Schokoladenseiten unserer Heimat. Wir kannten verträumte Zeit Ende der kommunistischen Ära, wir kannten die aus allen Fugen geratenen 1990er, wir kannten die Enttäuschungen und Hoffnungen danach, und den Geist der Freiheit.

Geschichtliches zu Beziehungen zwischen Ukraine und Israel

Geschichte ist grundsätzlich schwer zu erfassen, denn sie ist oft unterschiedlich dargestellt. Doch mit der Zeit bildet sich bei jedem Menschen eine bestimmte Sicht der Dinge. So ist es auch bei uns. Wir haben nicht vor Jahrtausenden gelebt, doch genug Dokumente gesehen, die Existenz der Hebräer und somit des Israels beschreiben. Die einen sind in deren Beschreibungen eher romantisch und sehr fantasievoll, die anderen feindlich, die dritten relativ realistisch. Sicher ist jedoch, dass jüdische Menschen seit ca. 2.000 Jahren in großen Mengen um die Welt unterwegs sind – Vertreibungen, Wanderungen, Ghettos, …, Diaspora. Die jüdische Diaspora in der Ukraine hat eine lange Geschichte. Ich weiß nicht, ob es die dort schon vor der Gründung der Kiewer Rus gab (ca. 882 A.D., dieser Zeitpunkt gilt bei vielen Menschen als die Gründung der Ukraine – und des Russlands). Was ich weiß, ist die Tatsache, dass die Geschichte der Beziehungen zwischen den ethnischen Juden und Ukrainern hin und wieder schwierig war. Aber genauso schwierig war die Beziehung zwischen ethnischen Juden und Russen, zwischen ethnischen Juden und Polen und vielen anderen europäischen Völkern – alles noch lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Doch die Schwierigkeiten waren nicht flächendeckend, nicht allgemein und auch nicht von Dauer – sie tauchten tatsächlich nur hin und wieder auf, wie ein Monster aus der Tiefe.

Im Zweiten Weltkrieg haben sich die Menschen in der Ukraine gegen den Aggressor aus Nazideutschland vereint und kämpften an derselben Seite. Auch die Jahre des Kommunismus in der Sowjet-Union verbanden viele – schließlich gab es ja dort glücklicherweise die Propaganda, dass alle Völker gleich wären. In modernen Zeiten sind solche Phänomene wie Antisemitismus selten geworden und hatten einen kleineren Umfang. Auch Misstrauen mancher Menschen jüdischer Abstammung zu ukrainischer Bevölkerung war kein repräsentatives Phänomen. Anna und ich kennen diesen geschichtlichen Hintergrund sowie auch die politische Realität. Umso schwerer war es für uns zu akzeptieren, dass Menschen in der Ukraine als „Judenhasser“ oder „Faschisten“ abgestempelt wurden – absolut inadäquat. Auf dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine, der eigentlich schon seit 10 Jahren tobt, hat die Wahrnehmung solcher übler Nachreden eine verstärkte Wirkung. Das hat für Schmerz gesorgt und dieser kam eben in der Form des Designs zum Schein.

Ich glaube, in einem Krieg – egal ob in der Ukraine oder in Israel oder in Gaza oder auf anderen Gebieten unseres Planeten – geht es immer allen Beteiligten schlecht. Es gibt keine Ausnahmen. Denn auch die, die im Krieg weniger gelitten haben, hätten es im Frieden sicher bequemer gehabt.

Warum haben wir genau die Symbole genommen, es gibt doch auch andere?

Ehrlich: ich weiß nicht. Wahrscheinlich, weil diese geometrisch passend sind und die Verbindung einfacher darzustellen war. Auch wenn man jetzt mit Geschichten der Symbole ausholen könnte, möchte ich davon absehen. Daher wäre hier nur ganz kurz folgendes zu erwähnen. Der Dreizack ist ein Symbol der ukrainischen Kosaken – diese waren so etwas wie Söldnerverbände, die ukrainische Gebiete verteidigt haben. Sie waren professionelle Kämpferinnen und Kämpfer und man kennt ihre Geschichten auch durch Kämpfe mit „rzecz pospolita“ – damals Polen, mit türkischen Angreifern von vor Hunderten Jahren, …, sie haben sogar Wien verteidigt. Heute steht dieses Symbol genauso wie damals für Stärke und Verteidigung des Landes.

Der Davidstern hat ebenso eine lange Geschichte. Diese reicht von Verschmähungen durch die Nazis, welche jüdische Menschen mit entsprechenden Sternen kennzeichneten, um sie zu erkennen und zu diskriminieren (das ist übertrieben milde ausgedrückt) bis zu der stolzen Flagge des israelischen Staates, der seine Existenz wohl verdient hat.

Abschließend möchte ich betonen, dass ich auf diesem Blog von meiner Wahrnehmung und meiner Meinung spreche – und nicht über die Meinung anderer urteile. Und so hoffe ich, die eigentliche Bedeutung – so, wie sie uns mit Anna vorschwebte – für das gewählte Design ausreichend erklärt zu haben.