Haben Sie schon über die Kindermalerei gestaunt? Ich schon. Wenn Sie noch nicht genug von Kinderwerken gesehen haben, dann sollten Sie welche unbedingt mal anschauen. Das Thema dieses Beitrags ist Kindermalerei. Ich beobachte seit Jahren, was meine Kinder malen mit Begeisterung, kam aber bis auf die Ausnahme der letzten Woche nicht dazu, über die Kindermalerei zu lesen. Da gibt es einen Haufen an Literatur und nein, natürlich habe ich es nicht in der letzten Woche durchgelesen. Aber ein paar Dinge habe ich doch entdeckt.
Phasen und Ausnahmen
Ich habe gelernt, dass bei einer Großzahl von Kindern die Entwicklungsphasen im Bereich Malen ähnlich ablaufen. Sie üben sich am Stift und Papier bis in etwa zwei Jahren alt. Sie kritzeln bis etwa vier. Sie „vergessen“ den Menschen in ihren Bildern den Rumpf zu verpassen bis etwa sechs. Und dann strengen sie sich immer mehr und systematisch an, Bilder realistisch zu gestalten. Manche Kinder gehen diese Phasen schneller durch, die anderen langsamer – völlig normal.
Kritzeln und moderne Kunst
Was mir dabei aufgefallen ist, sind die Bilder mit dem so genannten „Gekritzel“, also von Kiddies in einer noch sehr frühen Entwicklungsphase. Manche Beispiele, die ich da gesehen habe, würden meiner Meinung nach, eine würdige Konkurrenz bekannten Werken erwachsener Künstler abgeben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe Kunst, auch moderne. Doch gibt es viele Menschen, die moderne Kunst nur schwer verstehen. Was sage ich da? Verstehen? Ich bin ehrlich: wenn man beim Betrachten mancher Werke moderner Kunst keine fachkundige Begleitung hat und auch keine Story dazu nachlesen kann, wird es mit dem Verstehen oft eng. Man kann es dann trotzdem mögen – oder nicht. Aber nicht verstehen. Man kann da aus der eigenen Perspektive etwas hineininterpretieren, aber nicht verstehen. Die moderne Kunst ist oft so anders, dass die Frameworks, die Regelwerke fürs „Verstehen“ – fürs „normale“ Verstehen – oft versagen. Man ist dann wie ein Papierboot ins Ozean gelassen – und es driftet und driftet … bis man die Kontrolle völlig verliert. Nun, vielleicht müssen wir es auch nicht immer verstehen.
Was ich sagen will, ist, dass Kinder wunderbare Kunstwerke produzieren können, und uns Erwachsenen ist es nicht mal bewusst, was für ein Schatz da entsteht. Auch außerhalb des Geistigen, des kreativen Wertes kann da nicht wenig sein. Wussten Sie, wie viel manche Künstlerwerke kosten, die – ohne Abwertung – nach Kindermalerei ausschauen? Ich kenne eines, welches für mehr als 60 Millionen US-Dollar verkauft worden ist. Machen Sie mal Pause mit dem Lesen und meditieren Sie mal drüber.
Das ist das Werk von Jean-Michel Basquiat, was für über 60 Mio. US-Dollar verkauft worden ist. Übrigens, Basquiat ist einer meiner Lieblingskünstler. Hier können Sie etwas über seine Werke nachlesen.
Spannender finde ich jedoch sein Leben und seine Persönlichkeit. Doch dazu werde ich hier nichts sagen – Sie können ja selbst nachrecherchieren.
Und hier kommt eine kleine Serie von Kindermalerei.
Diese Bilder stammen von meinen allerliebsten Künstlern, deren Werke ich jeden Tag betrachte. Das vorletzte Werk heißt Mama, das letzte heißt Uhr. Die Werke davor sind nicht betitelt.
Ich lasse es mal kommentarlos. Jede und jeder lässt die Kunst selbständig auf sich wirken. So am besten.
Diagnosen und Justiz bei Kindermalerei
Es gibt Menschen, die glauben, aus der Kindermalerei Diagnosen für Krankheiten ableiten zu können. Die entsprechenden Ansichten sind jedoch umstritten. Es ist wirklich nicht ganz unproblematisch, denn immer wenn Sie eine Diagnose stellen oder offiziell hinschreiben, fängt diese an, ein weniger zu kontrollierendes Parallelleben zu führen. Man plappert und vergisst. Man liest mit und bricht Gesetze. Man lässt ethische Prinzipien fallen. Plötzlich entstehen Gerüchte, mit der Zeit können diese in regelrechten Terror, wie Mobbing, übergehen. Es führt zu Erlebnissen, Leidensdruck und Stigmatisierung für den Rest des Lebens. Ob es negative Auswirkungen im erwachsenen Alter hat? Und wie. Deswegen ist Vorsicht beim Diagnostizieren gut. Mehr als gut.
Justiz versteht es auch. Da geht es nicht nur um Stigmatisierung und entsprechende Erfahrungen von möglichen Opfern. Da geht es auch um Spiel mit Leben weiterer Menschen. Haben Sie schon mal Menschen getroffen, die unschuldig im Knast landeten? Ich schon. Solche Begegnungen bleiben in Ihrer Erinnerung für immer. Dabei ist es immer und wieder faszinierend, wie schwer Menschen an die Unschuld glauben. Stellen Sie sich mal eine politisch aktive Frau vor, die ihre Überzeugungen während der Sowjetunion-Zeit offen aussprach. Nein, nicht in den Medien, einfach in mehr oder weniger privaten Kreisen. Diese Überzeugungen waren völlig normal – aus der demokratischen Perspektive – und hatten nichts mit jeglicher Gefahr oder Aggression zu tun. Dennoch landete die Frau dafür für über 10 Jahre in Straflagern. Es ist mittlerweile ein Allgemeinwissen, dass es solche Geschichten Hundertfach gab. Und doch glauben die Menschen schwer.
Eine krasse Realität ist, dass bei den Umständen wie die Sowjetunion sie erschuf, auch ein Kindergekritzel hergenommen werden konnte, um jemanden für den Rest der Tage „auf die Strafbank“ zu setzen. Sensibel ist es, nicht wahr? Heikel. Besonders wenn Sie auch noch die ganzen Familien, wie die dieser Frau aus der Sowjetunion, bedenken. Die leiden ja auch und sie leiden massiv.
Und nun, wollen wir doch hoffen, dass die meisten Justizbehörden der Welt heute weiter sind. Die fortgeschritteneren unter solchen wissen um die unzuverlässige Qualitäten der Malerei Bescheid.
Nichtsdestotrotz glaubt man, dass man wenigstens Sympathie oder Antipathie, die Kinder empfinden, aus deren Malerei ablesen kann, auch ohne sie zu einer Aussage zwingen zu müssen. So interpretiert man auch Beziehungsqualitäten. So entstanden auch die therapeutischen Spiele, wo man Familienaufstellungen mit Tieren-Figuren macht. Das hilft den Therapeuten dann, Familiendynamik nachzuvollziehen und heilen zu helfen. Übrigens wendet man solche Methoden nicht nur mit Kindern an, sondern auch mit Erwachsenen sehr stark. Familientherapeutinnen und Systemtherapeuten nutzen das mit ihrem Klientel. Und das hilft.
Phantasie-Welten
Wenn mir bestimmte Werke meiner Kinder auffallen, versuche ich Gelegenheiten zu finden, mich mit ihnen entspannt zu unterhalten und zu fragen, was sie da gemalt haben. Sie erzählen es auch sehr gern. Man kann solche Gespräche echt genießen. Manchmal bekommt man ganze Storys so daher erzählt. Man kann auch sehr viel lachen. Achtung! Nicht abwertend über Kinder und ihre Werke, sondern gemeinsam mit ihnen über die Geschichten, die sie auch lustig finden. Ich fand auch, dass sie sich über Nachfragen wirklich freuen. So erfährt man, dass das, was man beim ersten Blick auf ein Bild für irgendeine Art Spieß hielt und sich über Spieße in Füßen Sorgen machte, eigentlich Schuhe sind, und wird entspannter.
In Kinderphantasie sind Sachen anders. Sie sehen dort anders aus als das, was wir Erwachsene kennen. Sie heißen manchmal auch völlig anders. Ist es nicht das, was wir in der modernen Kunst so schätzen? Ist es nicht diese Fähigkeit, völlig eigene Phantasie-Welt zu kreieren? Schauen Sie doch auf die Bilder des wahrscheinlich bekanntesten Surrealisten aller Zeiten Salvador Dali:
Keine Sorge, rechtlich gesehen, ist dieses Bild so wichtig für die Welt, dass es für Salvadors Rechte nur vorteilhaft ist, wenn ich es hier mal mit-einbaue.
Wenn Sie auf dieses Bild von Dali gucken, haben Sie nicht das Gefühl, dass er eine ganz andere Welt hatte? Eine ganz andere Realität? Eine ganz andere Wahrnehmung? Ja. Was für eine unglaubliche Kindesseele!